Weihnachtliche Werte auf der Bühne
- Über 400 Jahre Tradition: Die Passionsspiele Erl gehen bis ins Jahr 1613 zurück und sind damit eines der ältesten Passionsspiele im deutschsprachigen Raum.
- Ein Dorf spielt: Mehr als 600 Mitwirkende, rund ein Drittel der Erler Bevölkerung, stehen bei den Passionsspielen auf der Bühne oder wirken hinter den Kulissen mit.
- Neuinszenierung 2025: Unter der Regie von Martin Leutgeb wird die Geschichte Jesu modern und emotional interpretiert. Die zentrale Frage lautet: „Ist Jesus der Messias?“
- 32 Spieltermine: Die Passionsspiele 2025 finden von Mai bis Oktober statt, mit insgesamt 32 Vorstellungen.
- Ein Ort der Gemeinschaft: Die Passionsspiele stärken den Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft, da das gesamte Dorf zusammenarbeitet, um die Tradition lebendig zu halten.
- Generationenübergreifende Teilnahme: Bei den Passionsspielen wirken mehrere Generationen von Familien mit, von Kindern bis zu den Großeltern.
Die Hardfacts im Überblick
„Die Zeit der Passionsspiele ist schön, weil man weiß, dass die ganze Familie zusammenkommt. Alle machen mit, und keiner plant etwas anderes“, hält Maria Bachmann fest. Für die Zeit der Passionsspiele steht das Dorf Kopf. Hochzeiten werden verschoben, das Vereinsleben pausiert, und das Passionsspiel wird zum Mittelpunkt des Gemeinschaftslebens. Die Passionsjahre sind für Erl ein fest verankerter Teil des Lebensrhythmus und prägen die Erinnerung ganzer Generationen – ähnlich wie der festlich geschmückte Christbaum, der jedes Jahr die Weihnachtszeit erstrahlen lässt.
Eine Tradition, die Generationen verbindet
Maria und Peter Bachmann, die seit ihrer Kindheit Teil der Passionsspiele sind, blicken auf viele gemeinsame Erinnerungen zurück. „1985 war ich ein Teenager“, erzählt Maria. „Damals haben wir uns gefragt, was 1991 wohl sein wird, wenn wir 19 sind – doch dann konnte ich gar nicht mehr mitspielen, weil ich meinen ersten Sohn bekommen habe.“ Ihr Mann Peter war in derselben Zeit auf der Bühne aktiv – 1991 als Verbrecher, der links neben Jesus am Kreuz hing. „Es war fraglich, ob Johannes nicht während der Vorstellung zur Welt kommen würde“, erzählt Maria lachend.
Für die Familie haben die Passionsspiele immer eine besondere Rolle gespielt. Für Martin und Philip, die Söhne von Maria und Peter, gehören sie seit Kindesbeinen zum Familienleben dazu. „Nur einmal gab es die Überlegung, nicht mitzumachen, da auch einige Freunde abgesagt hatten, aber wir haben uns doch für das Spiel entschieden“, erinnert sich Philip. „Und am Ende hat es sich gelohnt.“
Die Passionsspiele Erl verbinden die Generationen: Jung und Alt sitzen in der Kantine beisammen – oft in einer Atmosphäre, die an familiäre Feierlichkeiten erinnert. „Da gibt es keinen Unterschied“, hält Martin fest und ergänzt schmunzelnd: „Manchmal dauert das dann auch länger, keiner muss nach Hause, denn das Passionsspiel steht sowieso an erster Stelle.“
Gemeinschaft und Wandel
Hans, der Großvater väterlicherseits, freut sich über die lebendige Tradition: „Dass die Enkel mit Freude dabei sind, das gefällt mir gut!“ Für ihn und viele andere Mitwirkende sind die Passionsspiele ein Teil ihrer Identität. „Wir älteren Männer spielen mittlerweile die ‚Gnadenbrot-Pharisäer‘, die um ihre Macht fürchten“, sagt Hans lächelnd.
Seit 2019 werden die Hauptrollen doppelt besetzt, was für viele Mitwirkende eine Erleichterung darstellt. „Früher war es oft so, dass man Rollen lange nicht geprobt hatte und dann plötzlich einspringen musste“, erinnert sich Peter, der diese Erfahrung aus seiner Zeit als Tontechniker gut kennt. Dies zeigt, wie flexibel die Gemeinschaft in Erl in dieser Zeit zusammenarbeitet.
„Im August kann es jeder in- und auswendig“, berichtet Philip. „Da wird im ganzen Dorf nur noch in Passionssätzen gesprochen.“ Der Beitrag der Passionsspiele Erl für die Dorfgemeinschaft ist nicht zu unterschätzen. „Man trifft Leute, mit denen man sonst nichts zu tun hat, und das tut der Kameradschaft im Ort sehr gut.“
Weihnachtliche Werte in der Passion
Die Passionsspiele vermitteln nicht nur die Leidensgeschichte Jesu, sondern auch zeitlose Werte, die besonders in der Weihnachtszeit greifbar werden. „Im Zentrum der Inszenierung steht eine Frage, die auch an Weihnachten von großer Bedeutung ist: Glauben wir an das Wunder der Geburt? An die Botschaft Jesu und sein Opfer?“
Für die Familie geht es vor allem um die Weitergabe christlicher Werte. „Ehrlichkeit und Nächstenliebe sind für mich zentral. Mit den Grundwerten des Christentums kann ich mich gut identifizieren“, berichtet Maria. Philip, mittlerweile selbst Vater von zwei kleinen Kindern, ergänzt: „Man gibt diese wichtigen Werte weiter, von Generation zu Generation. Es ist eine Botschaft, die wir so gemeinsam in die Welt hinaustragen.“
Martin Leutgeb, der Regisseur der kommenden Inszenierung, zeigt dabei immer wieder, wie aktuell die Geschichte Jesu ist. „Der Vergleich mit der heutigen politischen Lage liegt auf der Hand: Die Mächtigen haben nach wie vor Angst, ihre Macht abzugeben, und die Stimme des Volkes wird nicht immer gehört. Jesus wird in der Neuinszenierung von Martin Leutgeb als Mensch dargestellt, als Gleicher unter Gleichen“, beschreibt Peter die moderne Interpretation.
Das Gelübde als Verantwortung
Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Passionsspiele Erl auf eine mittlerweile 400 Jahre andauernde Tradition zurückblicken können, hält Maria fest: „Die junge Generation wächst immer wieder nach.“ „Man kann das nach vierhundert Jahren nicht einfach bleiben lassen“, bringt Philip die Bedeutung dieser Tradition auf den Punkt.
Bis zum 21. Dezember wird noch mit den Sprechrollen geprobt. Im neuen Jahr kommen dann alle anderen Beteiligten dazu, und das ganze Dorf bereitet sich darauf vor, erneut eine Geschichte lebendig werden zu lassen, die weit über Weihnachten hinaus Bedeutung hat. In Erl lebt die Botschaft von Liebe, Gemeinschaft und Hoffnung – eine Botschaft, die auf der Bühne und in den Herzen der Menschen weitergetragen wird, von Generation zu Generation.