19.08.2024
Erl, Kufsteinerland

Passionsspielhaus in Erl: Baubeginn im Jahr 1957

Ein Blick in die Vergangenheit mit Karl Pfisterer und Hans Kneringer

Über die Jahre ist es zum Wahrzeichen der Gemeinde Erl geworden: Das Passionsspielhaus, dessen Geschichte in den späten 1950er Jahren ihren Ursprung findet. Karl Pfisterer (88 Jahre) und Hans Kneringer (92 Jahre) waren damals in den Entstehungsprozess involviert. Sie sind die letzten Zeitzeugen vom Bau des Passionsspielhauses und wissen detailreich darüber zu berichten. So manche Entwicklung war damals nicht vorhersehbar und die Bauarbeiten wurden durch finanzielle Engpässe erschwert. Im Gespräch erinnern sich Hans und Karl an diese prägende Zeit.
    Die Hardfacts im Überblick
  • Die Passionsspiele Erl sind mit über 400 Jahre Bestehen die ältesten Passionsspiele im gesamten deutschsprachigen Raum.
  • Das alte, später abgebrannte Passionsspielhaus fasste bereits 1.500 Personen und war immer ausverkauft.
  • Baubeginn für das neue Passionsspielhaus war im Jahr 1957.
  • Der Kostenvoranschlag belief sich auf 3,5 Millionen Schilling, doch der Bau war wesentlich teurer.
  • Mittels eines "Aufbaudarlehens" konnte sich die Erler Bevölkerung an den Baukosten beteiligen.

Die Erler Passionsspiele sind mit über 400 Jahren Bestehen die ältesten im gesamten deutschsprachigen Raum und der Passionsspielverein, der vor dem zweiten Weltkrieg aufgelöst wurde, sollte nach Kriegsende jedenfalls wieder neu gegründet werden. Darüber war man sich in Erl einig. Heute wie damals sind der Pfarrer und der Bürgermeister von Erl automatisch auch im Ausschuss des Passionsspielvereins, weshalb es in den 1940er Jahren vor allem dem Pfarrer, Dr. Hermann Pfatschbacher, ein Anliegen war, den Verein wieder ins Leben zu rufen. Nach der Neugründung starteten auch prompt die Überlegungen zur Errichtung eines neuen Passionsspielhauses.

Der alte Stadl des Pfarrers

 Ursprünglich hat sich der Pfarrer dafür eingesetzt, den alten Stadl umzubauen, der zu seiner Landwirtschaft gehörte. Nachdem Herr Walter Mayer dafür einen Plan gezeichnet hatte, stand fest, dass der Platz für ca. 400 bis 500 Besucher:innen gereicht hätte. Einerseits war damit aber die Erler Bevölkerung nicht zufrieden. Schließlich fasste das alte Passionsspielhaus, das an der Stelle der heutigen Parkgarage stand und abgebrannt war, bereits 1.500 Gäste und war in den 1920er Jahren meist restlos ausverkauft. Der Pfarrer wollte dennoch lieber klein anfangen und zu einem späteren Zeitpunkt ein größeres Haus bauen. „Damit war das Komitee unter dem damaligen Obmann Herrn Sebastian Praschberger und Spielleiter Herrn Hans Schwaighofer allerdings absolut nicht einverstanden. Man war überzeugt, dass die Passionsspiele wieder ein großer Erfolg werden würden“, erinnert sich Hans Kneringer, der mit 23 Jahren bereits Mitglied des Komitees war.

Andererseits hat aber auch Herr Hofrat Michl, Zuständiger Chef der Abteilung Hochbau beim Land Tirol, davon abgeraten, die Landwirtschaft umzubauen. Er kam nach Erl, um sich vor Ort ein Bild zu machen und hat damals vorgeschlagen, einen Plan für ein Passionsspielhaus anfertigen zu lassen, das dann auf Gemeindegrund stehen würde. „Als Michi in Erl war, hat er diesen Platz gesehen, an dem das Passionsspielhaus jetzt steht, und sofort gesagt ‚Da muss es hin‘. Ihm war unmittelbar klar, dass dies der geeignete Standort ist, obwohl es kein Gemeindegrund war. Allerdings waren alle Grundbesitzer darum bemüht, die Fläche dem neuen Passionsspielhaus zur Verfügung zu stellen“, erzählt Karl Pfisterer. Der Pfarrer war darüber nicht glücklich, denn er sah große finanzielle Schwierigkeiten auf Erl zukommen und war sich nicht sicher, ob die Passionsspiele wirklich so gut besucht werden würden. Erst nach Fertigstellung des Baus und nachdem er gesehen hatte, dass sich alles zum Guten gewandt hatte, war er dem ganzen Projekt wieder positiv gestimmt.

Finanzielle Herausforderung

 3,5 Millionen Schilling sollte der Bau kosten. „Hofrat Michl hat von Anfang an gesagt, dass der Bau bestimmt teurer werden würde, aber wenn eine noch höhere Summe genannt worden wäre, hätten die Bauarbeiten niemals gestartet“, lässt uns Karl wissen. Von den 3,5 Millionen würde eine Million das Land übernehmen, eine Million der Bund, den Rest musste die Gemeinde finanzieren. Dieses Geld war nicht vorhanden, also wurden Überlegungen angestellt, wie die Finanzierung abgewickelt werden könnte. „Da kam die Idee der sogenannten Aufbaudarlehen der Erler Bevölkerung auf“, weiß Hans Kneringer. Das hieß, dass die Bevölkerung einen entsprechenden Betrag bei der Raika einzahlen konnte, um die Finanzierung zu ermöglichen. Sollten die Einnahmen der Passionsspiele so gut sein, dass die Schulden getilgt werden könnten, würden alle Darlehen inklusive Zinsen zurückbezahlt werden. Es bestand aber das Risiko, dass die Einnahmen eine Tilgung nicht möglich machen würden und diese Darlehen unter Umständen nicht zurückgezahlt werden könnten. „Dabei hat Herr Marx es im Jahr 1956 auf sich genommen, in Erl von Haus zu Haus zu gehen, um bei allen Haushalten zu fragen, wieviel sie bereit wären, zu zahlen. Über 500.000 Schilling kamen so zusammen. Die Erler Bevölkerung vertraute offenbar auf die Passionsspiele“, erinnert sich Hans Kneringer noch sehr genau.

Beginn der Bauarbeiten

Karl Pfisterer war zwar nicht im Ausschuss aber Mitglied des Passionsspielvereins. Er hat damals mit der Firma seines Vaters den Bau übernommen. Sämtliche Bewehrungspläne wurden von ihm von Hand und mit Tusche gezeichnet. „Es waren bestimmt mehr als hundert Pläne, die ich abends nach meiner Arbeit in einem Innsbrucker Büro angefertigt habe. Den endgültigen Plan für den Bau hat Herr Robert Schuller – teilweise von seinem Krankenbett aus – erstellt. Normalerweise wird nach Plänen im Maßstab 1:50 gebaut, aber für das Passionsspielhaus gab es nur den sogenannten 100er Plan (1:100) von Herrn Schuller“, denkt Karl an die Zeit vor dem Baustart zurück.

Baubeginn war dann schließlich im Jahr 1957. Zu diesem Zeitpunkt war das Kapital von drei Millionen Schilling vorhanden. Allerdings kamen, wie erwartet, einige Besonderheiten zutage, die viel Geld kosteten. „Zum Beispiel der Felsen, der bei der mittleren Säule händisch ausgeschachtet und um einen schweren Träger erweitert werden musste, bis der Statiker seine Freigabe erteilte. Solche Begebenheiten waren unglaublich teuer“, weiß Karl Pfisterer noch heute viele Details der Bauphase.

Die Bauarbeiten mussten wegen Geldknappheit öfters unterbrochen werden. „Allerdings waren der damalige Kulturlandesrat Hans Gamper gemeinsam mit dem Finanzreferenten Hans Tschiggfrey und Landtagspräsidenten Johann Obermoser große Fans von Erl und somit auch Unterstützer dieses Projekts. So hat der Bau immer wieder fortgesetzt werden können“, erzählt Hans und Karl meint weiter: „Alles und jeder aus Erl und Umgebung hat bei diesem Bau mitgeholfen. Etliche Maurer und andere Handwerker waren im Einsatz. Josef Dresch, der Schwiegervater des heutigen Obmanns Karl Anker, war als Tischler eine tatkräftige Unterstützung. Während der gesamten Bauzeit passierte außerdem kein einziger Unfall. Wir hatten großes Glück.“

Die Geschichte mit der Decke

Aus Geldmangel musste während der Bauarbeiten an allen Ecken und Enden eingespart werden, weshalb die Decke, die im Plan eingezeichnet war, nicht gebaut wurde. Im Endeffekt hat dieser Umstand aber wohl zu der außergewöhnlichen Akustik im Haus geführt. Hans Kneringer war eine jener Persönlichkeiten, die dies von Anfang an erkannt hatte und auf dessen Initiative neben den Passionsspielen fortan Konzertabende stattfanden. Er hat nicht nur ein musikalisches Gehör, sondern ist selbst ein beflissener Musiker, spielt Harfe, Trompete, Klavier und Cello. „Alle, die etwas von Musik verstehen, haben gehört, dass in diesem Haus sanfte, schöne Töne entstehen. Das musste unbedingt ausgenutzt werden“, erzählt der Musiker.

Wie Recht er mit seiner Einschätzung hatte, bewies auch die Aussage des berühmten Dirigenten Sergiu Celibidache, unter dessen Leitung die Münchner Philharmoniker ein Konzert zur 1.200 Jahr Feier in Erl spielten. „Er hat damals gesagt, in diesem Haus gebe es die beste Akustik, die er kenne. Nirgendwo sonst hatte er bis dahin die 3. Flöte gehört, an diesem Abend aber konnte er sie hören“, erinnert sich Hans.

Fertigstellung und Spielbeginn

Im Jahr 1958 wurde der Bau des Passionsspielhauses, dessen schwungförmiges Dach bei richtiger Betrachtungsweise das perfekte Gegenstück zum Berg im Hintergrund darstellt, fertiggestellt. Karl Pfisterer hat damals den Firstspruch aufgesagt, den er bis heute behalten hat. Noch während der Bauarbeiten wurde bereits damit begonnen, Kostüme zu entwerfen und anzufertigen. Gespielt wurde dann in den Jahren 1959, 1960, 1961 und im Jubiläumsjahr 1963. Nach den ersten drei Passionsspielen konnten sämtliche Schulden beglichen und alle Darlehen inklusive acht Prozent Zinsen zurückgezahlt werden. Außerdem wurde eine große Orgel in Auftrag gegeben.

Hans und Karl haben selbst immer bei den Passionsspielen mitgespielt, wenn auch Karl aus beruflichen Gründen ein paar Jahre aussetzen musste. Hans war nicht nur Spielleiter, er hat auch einige Male die Christusrolle auf der Bühne verkörpert. Beide haben unzählige Erinnerungen an die Ereignisse in den 1950er Jahren und danach. Vieles ist noch heute sehr präsent und mit Fotos, Programmheften, Plakaten und Plänen befinden sich unzählige Zeitzeugnisse im Besitz der beiden Herren, auf die sie noch heute gerne zugreifen, wenn sie davon erzählen.

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